Reporter hebt ab
Zwischen Himmel und Erde
Wie der BNN-Reporter beim Gleitschirmclub Kraichtal zum ersten Mal abhebt
Kraichtal. Die Sonne steht schon hoch am Himmel, als ich am Samstag auf dem kleinen Flugfeld des Gleitschirmclubs Kraichtal bei Oberacker eintreffe. Einige Piloten kreisen bereits über den umliegenden Feldern. Die Mitglieder des Clubs, ein bunt gemischter Haufen aus jungen Abenteurern und erfahrenen Piloten, bereiten sich auf ihre Flüge vor. Was ich noch nicht weiß: An diesem Tag werde ich nicht nur Zeuge spektakulärer Flüge, sondern auch selbst in die Lüfte aufsteigen.
"Es ist jedes Mal ein Abenteuer." Julia Müller Gleitschirmfliegerin
Während ich dem Treiben zusehe, bekomme ich die Gelegenheit, mit Benjamin Walter zu sprechen. Der 20-Jährige steht mit einem breiten Grinsen im Gesicht neben der Startbahn.,,Meine Oma hat mir diesen Flug geschenkt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Fliegen hat mich schon immer begeistert", erzählt der Karlsruher. Gleich geht es für ihn nach oben. Von Franz Merl bekommt Benjamin die letzten Einweisungen. Der Tandem-Pilot fliegt schon seit 35 Jahren. Er kontrolliert Gurtzeug und Helm seines Schützlings. Beim Flug soll alles glatt laufen. Der junge Erstflieger wirkt leicht nervös, aber auch voller Vorfreude. „Es ist ein Mix aus Respekt und Aufregung", gesteht Benjamin mir.
Dann geht es los. Auf dem Schleppgelände zieht ein 1.000 Meter langes Seil die Gleitschirmflieger auf 300 Meter Höhe. Nach einem kurzen Anlauf werden so auch Benjamin und Franz nach oben befördert. Vom Boden aus beobachte ich, wie die beiden immer kleiner werden, ehe sie wieder langsam herabgleiten. Später wird Benjamin mir erzählen, wie überwältigend das Erlebnis für ihn war: „Die Welt mal aus dieser Perspektive zu sehen, war etwas völlig Neues und unfassbar Schönes. Das vergesse ich nicht so schnell." Während ich in den Himmel starre, werde ich von Julia Müller angesprochen. Lust mal selbst mitzufliegen?", fragt mich die 39-Jährige. Müller fliegt seit drei Jahren selbst Gleitschirm. Für die Mutter ist die Zeit in der Luft ein willkommener Ausgleich. Erst kürzlich ist sie mit einem Flug von Oberacker aus bis nach Heilbronn gekommen. Vor Ort sei sie freundlich von ein paar Anwohnern empfangen und zusammen mit einem weiteren der über 60 Gleitschirmflieger des Clubs auf ein Bier eingeladen worden. “Es ist jedes Mal ein Abenteuer", sagt sie.
Müller hat mich überzeugt. Ihre Eingangsfrage beantworte ich mit einem kurzen, leicht unsicherem Nicken. Ob das so eine gute Idee war? Lange kann ich darüber nicht nachdenken. Ich bekomme meine Ausrüstung und werde vom mittlerweile wieder gelandeten Piloten Franz eingewiesen:,,Das Wichtigste ist, dass du beim Start schnell sprintest. Der Rest geht dann fast von allein." Nur wenige Minuten später heben wir, angezogen vom Schleppseil, ab. Der Boden entfernt sich unter unseren Füßen, und ein Gefühl der Schwerelosigkeit erfasst mich. Der Aufstieg ist ruhiger, als ich erwartet hatte. Unter uns breitet sich die hügelige Landschaft des Kraichgaus aus.
Ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Gleitschirmflug ist die Thermik, also die Aufwinde, die durch die Erwärmung des Bodens entstehen. Franz erklärt mir, dass ein erfahrener Pilot die Thermikströme geschickt nutzen kann, um an Höhe zu gewinnen und lange Strecken zurückzulegen. Das ist ein bisschen wie Segeln in der Luft", sagt er. Diese Aufwinde ermöglichen es bei optimalen Bedingungen bis zu zwei Kilometer in die Höhe zu kommen und Distanzen von über 100 Kilometern und mehr zurückzulegen.
Langsam gleite ich mit Franz wieder Richtung Boden. Die Landung ist sanft. Mein Herz klopft noch immer. Der Gedanke, selbst einmal einen Gleitschirm zu steuern, lässt mich nicht los. Ich frage Franz, was es dazu braucht. Um selbstständig fliegen zu dürfen, benötigt man eine Lizenz", erklärt er mir. Die Ausbildung dafür findet in einer Flugschule statt. Von diesen gibt es mehrere in Baden.
Die Theorie umfasst Themen wie Aerodynamik, Wetterkunde und Flugrecht, während in der Praxis das Starten, Fliegen und Landen geübt wird. Ganz billig ist das aber nicht. 2.000 Euro werden im Schnitt fällig. Hinzu kommen Kosten für die eigene Ausrüstung.
Als ich am späten Nachmittag das Fluggelände verlasse, sehe ich in den Gesichtern der anderen Flieger denselben Ausdruck der Freude und Erfüllung, den ich selbst verspüre. Und während ich mich von Benjamin verabschiede, bin ich mir sicher: Auch er hat heute das Fliegen für sich entdeckt.
Quelle: https://bnn.de/ Bericht: Florian Ertl